Teilhabe in der Kunst

Greifswalder Resonanzen [2021]

"Das Wunderbare an dieser
Walskulptur ist seine Form und Größe.

Der Betrachtende muss sich auf den Weg machen.
Ein Blick reicht nicht aus."

Claudia Thümler, Projektleitung

1645/2021: Ein Wal strandet in Greifswald

Erste Resonanzen

Ein angespülter Wal sorgte 1645 in Greifswald für Furore und wurde ebenso anonym wie zeitlos auf die Sakristeiwand der Marienkirche gebannt und später in einem Fisch-Almanach verewigt. Auch in den beiden anderen Kirchen in der Innenstadt von Greifswald, dem gotischen Dom St. Nicolai und der Kirche St. Jacobi, gibt es historische Darstellungen von diesem besonderen Ereignis.

Der israelische, in Duisburg lebende Künstler Gil Shachar konnte 2018 dank einer Crowd-Funding Kampagne in Südafrika einen gestrandeten und verendeten Buckelwal abformen und in Epoxidharz gießen. Diese zeitgenössische Waldarstellung bietet multiperspektivische Lesarten und rührt ganz emotional und sinnlich an in seiner Wucht und gleichzeitigen Endlichkeit, die auch als Sinnbild der aktuellen globalen Veränderungen unmittelbar sinnlich begreifbar ist. Deshalb wollten wir den Wal als Skulptur wieder in eine Greifswalder Kirche "zurück bringen". 
Der Wal bot einen emotionalen Impuls, der ganz unterschiedliche Resonanzen hervorbrachte, die über den Kirchenraum hinausreichten.

Bei den Greifswalder Resonanzen (#greifsWALderresonanzen), dem zweiten Teil des mehrjährigen partizipativen Projektes „Resonanzen on tour“ der Montag Stiftung Kunst und Gesellschaft, war die Walskulptur des Künstlers Gil Shachar im Dom St. Nikolai Impulsgeberin für ganz unterschiedliche Assoziationen und Fragestellungen zum Ort, zur Geschichte, Religion und Gesellschaft.  Begleitet durch ein facettenreiches künstlerisches Begleitprogramm (Führungen, Workshop, Aktionen und Interventionen) wurden im August dieses Jahres Resonanzen und Antworten im öffentlichen Raum gesammelt und in der von der Künstlerin Nicola Schudy entwickelten temporären Resonanzskulptur Kauri in Schönwalde sicht- und vor allem hörbar gemacht. Ziel des Projektes war es, möglichst unterschiedliche Menschen in Greifswald aktiv an künstlerischen und kulturellen Gestaltungsprozessen zu beteiligen. Die Erlebnisse und Ergebnisse waren und sind Zeugnis der Handlungsspielräume von Kunst im öffentlichen Raum.

 

Das Projekt fand vom 29.07.-31.08.2021 in Greifswald statt. 

Dabei bildeten die zwei Aktionsorte Wal/Dom und Kauri/Schönwalde die beiden Pole der Projektaktivitäten. Der gotische Dom St. Nikolai ist prominent im historischen Greifswalder Zentrum gelegen und wird nicht nur von Anwohnenden, sondern vor allem tagtäglich von einer Vielzahl an Reisenden besucht. Etwa 4 km weiter, eher am Rande Greifswalds, befindet sich der Stadtteil Schönwalde. Er liegt weniger im Zentrum des touristischen Interesses, ist aber Wohnort und Lebensmittelpunkt vieler Greifswalder Bürgerinnen und Bürger. Die Plattenbausiedlungen Schönwalde I und Schönwalde II wurden ebenso wie das angrenzende Ostseeviertel ab den späten 60er Jahren erbaut, um mehr Wohnraum für die Arbeitenden des Kernkraftwerkes Lubmin zu schaffen und bietet heute Wohnraum für eine heterogene Mieterschaft. Der auf einer Wiese der evangelischen Johannes-Gemeinde zentral in Schönwalde gelegene Aktionsort für die künstlerischen Angebote wurde primär von den Anwohnenden gut genutzt. Die erhoffte Verbindung zwischen der Innenstadt und den Außenbezirken konnte allerdings während der begrenzten Laufzeit des Projektes aus unterschiedlichen Gründen nicht wirklich hergestellt werden. Allerdings sind Kontakte, Verbindungen und Beziehungen zu ganz unterschiedlichen Menschen geknüpft worden, deren (Aus)Wirkungen sich nach Projektende erst zeigen werden.

Das gesamte Projekt war für die Teilnehmenden kostenfrei und passte sich flexibel an die jeweils gültigen Covid-19 Bestimmungen an.

 

Doch: Was machte jetzt der Wal im Dom?

Während der Projektlaufzeit kamen rund 10.000 Personen (laut Angabe der Gemeinde St. Nikolai) in den Greifswalder Dom und begutachteten unter anderem Gil Shachars Wal-Skulptur. Den gesamten August über wohnte er den Gottesdiensten der Gemeinde bei und wurde stiller Zeuge von Trauergottesdiensten und Trauungen. Für all diejenigen, die sich fragten und damit beschäftigten, was denn nun der Wal im Dom machte, gab es über den Projektzeitraum die Möglichkeit Gedanken und gefundene Antworten zu manifestieren: An der kleinen Stempelstation im Dom lagen einzelne Latten des mobilen Resonanzraums Kauri bereit. Auf ihnen konnten die Besuchenden ihre Worte und Botschaften stempeln. Die bearbeiteten Latten wurden später in der Skulptur Kauri in Schönwalde eingewoben und schafften so eine Verbindung zwischen den beiden Stadtteilen.

Und was ist Kauri in Schönwalde?

Kauri ist eine Skulptur, die seit 2019 von der Kölner Künstlerin Nicola Schudy für das dreijährige Resonanzen on Tour-Projekt entwickelt und projektbegleitend weitergedacht wird. Kauri ist ein mobiler Resonanzraum: Ihr Material ist modular nutzbar, weshalb die Skulptur von der Künstlerin und von den Projekt-Teilnehmenden vor Ort selbst aufgebaut werden kann und soll. Im Jahr 2020 wurde Kauri nach ihrer Entwicklung im geschützten Raum des Ateliers in der ersten Projektphase in Rheydt erprobt. Während der Rheydter Resonanzen wurde Kauri im Maria-Lenssen-Garten erbaut und war im Anschluss Aufenthaltsort, Störer, Skulptur und Bühne für Anwohnende und Vorbeikommende.

In Schönwalde kamen zu den Latten aus Rheydt nun auch Latten aus dem Greifswalder Dom eingewebt. An ihrem Standort auf der Kemnitzer Wende im Stadtteil Schönwalde I fand während der Projektzeit auch das vielschichtige Aktionsprogramm statt. An, in und um Kauri wurden Gipsskulpturen geschaffen, Fährten gesucht, Kontakte geknüpft und sich schauspielerisch erprobt. Jeden Sonntag kam die evangelische Johannis-Gemeinde zusammen und feierte neben Kauri ihren Gottesdienst. Eine junge Band gab ihr erstes Konzert und der Musiker Adrian Rovatkay gab auf seinem traditionsreichen Großbasspommer ein Lied von Monteverdi zum Besten. Kauri in Schönwalde war das, was die bunte Gemeinschaft an Mitgestaltenden in Greifswald daraus machten - Kauri war Anlass um rauszukommen, um wiederzukommen, um mitzugestalten, Fragen zu stellen und gemeinsam zu denken und zu handeln. 

Ein partizipatives Kunstprojekt in Zeiten der COVID19-Pandemie:

Das Programm

GreifsWALder Resonanzen
Programm-Flyerzum Download
Zeitraum der GreifsWALder Resonanzen:  2.-29. August 2021
Künstlerisches Programm:  Donnerstag - Sonntag, 14 bis 18 Uhr
                                                  (Änderungen vorbehalten)


Die Montag Stiftung Kunst und Gesellschaft beobachtet aufmerksam die Entwicklung rund um das Coronavirus (COVID-19). Im Sinne ihrer gesellschaftlichen Verantwortung möchte sie dazu beitragen, dass die Ausbreitung der Viruserkrankung so weit wie möglich verlangsamt wird. Daher ergreift sie im Interesse der öffentlichen Gesundheit sowie zum Schutz von Teilnehmenden und Mitarbeitenden am Projektstandort alle nötigen Sicherheitsmaßnahmen. Dazu gehören die geltenden Abstandsregeln und Zugangsbeschränkungen, das regelmäßige Händewaschen und Desinfizieren.

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Persönliche Eindrücke einzelner Teilnehmenden der künstlerischen Aktionen werden projektbegleitend in unserem BLOG gesammelt. Zu lesen und zu sehen gibt es Rheydter Resonanzen und bald auch die Greifswalder Perspektiven hier: